Bikepacking? Das musst doch leichter gehen. Dachten sich jedenfalls die Jungs von Cyclite und entwickelten eines der wohl leichtesten Bikepacking-Sets, das die Welt je gesehen hat. Aber können die leichten Taschen aus Bayern auch was am Bike? Das hat unser Gravel Collectivista Dan Zoubek für euch ausprobiert.
Text und Fotos: Dan Zoubek | 26.04.2022
Prada mischt jetzt den Bikepacking-Markt auf? Das war ungefähr mein erster Gedanke, als ich den Inhalt des Pakets sah, das kürzlich vor meiner Tür stand. Ende der Neunziger startete Prada die Sportswear Kollektion „Linea Rossa“. Das war der heiße Scheiß, viele wollten das haben. Erkennungsmerkmal war ein roter Balken, in dem der Pradaschriftzug saß. Schon aus der Ferne ließen sich die Prada-Jünger gut identifizieren. Der rote Balken eilte den Trägern voraus.
Doch ich muss die bikepackenden Prada-Entusiasthen unter euch enttäuschen: Die Taschen erinnern mit ihrem Design schon sehr an Linea Rossa, stammen aber von der kleinen deutschen Firma Cyclite. Die haben sich das Ziel gesetzt, durchdachtes, funktionales und vor allem leichtes Bikepacking zu ermöglichen.
Modell | ||||
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Preis | 110 Euro | 80 Euro | 170 Euro | 120 Euro |
Volumen | 2,8 l | 1,7 l | 12,9 l | 12,6 l |
Gewicht | 148 g* | 112 g* | 318 g | 198 g |
Länge | 38 cm | 25 cm | 35-52 cm | 33-55 cm |
Höhe | 13 cm | 9 cm | 23 cm | 17 cm |
Breite | 6 cm | 6 cm | 18 cm | 17 cm |
* mit Innenverstärkung
Es gibt noch eine Handle Bar Aero Bag, die man wohl auch ohne Aero Aufsatz vorne an die Handlebar Roll schnallen kann. Diese Tasche habe ich allerdings nicht getestet.
Die Taschen kommen in zwei Farbstellungen, wobei ich die hellen Taschen ausprobiert habe. Cyclite nennt die Farbe "lightgrey", in meinen Augen sind sie schlicht weiß.
Da das Auge in Zeiten von „look pro go slow“ ja mehr als mitfährt, funktioniert die weiße Ausführung mit rotem Streifen meiner Meinung nach nicht bei vielen Rad-Outfit Kombinationen. Mit der schwarzen Variante kommt man da schon weiter, wobei mich der doch recht prominente rote Balken auch da stört. Aber das ist natürlich ganz klar Geschmackssache.
Einen riesigen Vorteil hat die helle Variante jedoch und das habe ich mir bei Bikepacking-Taschen schon immer gewünscht: In den auch innen hellen Taschen findest du wesentlich schneller, was du suchst. Dunkle Taschen sind schwarze Löcher. Beim Bikepacking kommt man ja gerne mal erst bei Dunkelheit irgendwo an. Da kann eine Suche schnell nerven.
Allgemein kann ich sagen, dass die Taschen wertig wirken und sehr gut verarbeitet sind. Über die Lebensdauer und einen Härtetest kann ich nichts sagen. Cyclite hebt das geringe Gewicht und die Funktionalität hervor. Ich habe in der Tabelle unten nerdig das Gewicht je Liter Volumen berechnet und mit ein paar Taschen der Mitbewerber verglichen. Alle außer der Frame Bag waren leichter als die Konkurrenz. Relevant ist das aber nur für Ultraendurance Fahrer, die auch mal eine komplette Woche mit 20 Minuten Schlaf durchfahren. Für den Rest sind die paar Gramm wohl eher weniger bedeutend. Das Fassungsvermögen der Taschen liegt im mittleren Bereich und ist somit eher für Reisen bei wärmeren Temperaturen geeignet.
Hersteller | Modell | Volumen | Gramm/Liter | |
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Cyclite | Frame Bag | 2,8 l | 148 g | 52,86 |
Ortlieb | Frame-Pack Toptube | 4 l | 170 | 42,5 |
Apidura | Racing Frame Pack | 4 l | 205 g | 51,25 |
Cyclite | Top Tube Bag | 1,7 l | 112 g | 65,88 |
Ortlieb | Cockpit-Pack | 0,8 l | 82 g | 102,5 |
Cyclite | Saddle Bag | 12,9 l | 318 g | 24,65 |
Ortlieb | Seat-Pack | 16,5 l | 456 g | 27,64 |
Ortlieb | Seat-Pack | 11 l | 345 g | 31,36 |
Apidura | Expedition Saddle Pack | 14 l | 350 g | 25,00 |
Cyclite | Handle Bar Roll | 12,6 l | 198 g | 15,71 |
Ortlieb | Handlebar-Pack | 15 l | 420 g | 28,00 |
Ortlieb | Handlebar-Pack | 9 l | 375 g | 41,67 |
Apidura | Expedition Handlebar Pack | 14 l | 275 g | 19,64 |
Die Top Tube Bag besteht aus einem großen Hauptfach, das über einen nach hinten abklappbaren Verschluss erreicht wird. In dem Hauptfach befindet sich ein kleines, per Reißverschluss zugängliches Seitenfach.
Die kleine Top Tube Bag wird mit ihren drei Klettverschlüssen entweder vorne am Steuersatz oder hinten an der Sattelstütze auf dem Oberrohr befestigt.
Ein Problem hatte ich an meinem Gravelbike bei der Kombination von Top Tube Bag mit Frame Bag. Konkret bei der Befestigung am Rahmen mit den Klettbändern. Bei mir waren sich die Klettbänder von Top Tube- und Frame Bag im Weg, zumindest für die optimale Position beider Taschen. Eine variable Klettbandposition hätte das Problem gelöst.
Ein schwacher Magnet ist der einzige Verschluss, der die Klappkappe verschlossen hält. Ich dachte wirklich, dass mir der Inhalt der Taschen bei der ersten Wurzel oder Gegenwind entgegenfliegt. Ist er aber nicht, der Magnet hat super gehalten. Für alle Bänder hätte ich mir allerdings eine gummierte Innenseite gewünscht, um Verrutschen und Rahmenkratzer zu verhindern. Die Top Tube Bag ist seitlich doch leicht hin und her gerutscht. Eine Folie zum Schutz des Rahmens empfiehlt sich auf jeden Fall.
Die Cyclite Frame Bag verfügt über zwei Haupttaschen, die jeweils von links und rechts über einen fast durchgehenden, wasserdichten Reißverschluss erreicht werden. Zudem bietet sie zwei kleine Innentaschen, etwa für die Brieftasche oder den Schlüssel.
Die Rahmentasche wird mit drei Klettbändern am Oberrohr und einem weiteren am Unterrohr befestigt und so im Rahmendreieck fixiert. Speziell bei manchen vollgefederten Mountainbikes könnte dabei der Dämpfer im Weg sein. Bei den meisten Gravelbikes hingegen sollte das kein Problem sein - zumindest noch nicht. Aber nochmal zu den Klettbändern: Eine optionale Position hätte geholfen. Das Oberrohr meines Gravelbikes verjüngt sich zum Sattel hin. Dabei hatte ich dann das Problem, dass das letzte Band kaum mehr gegriffen hat. Zudem hing das überstehende Band unschön seitlich an der Tasche herunter. Ich habe keine alternative Lösung dafür gefunden. Abhilfe könnte man schaffen, wenn der Tasche verschieden lange Bänder beiliegen würden.
Die Reflektoren auf der Tasche finde ich gut. Ich mag Sichtbarkeit. Die Reißverschlüsse lassen sich auch einhändig gut bedienen. So kann man auch während der Fahrt mal schnell ein Bier rausholen. Also, nur rein theoretisch natürlich. Ein Six-Pack passt allerdings nicht rein. Für meine Geschmack dürfte die Tasche etwas größer sein. Ein Liter mehr Volumen wäre gut. Vielleicht kommen da von Cyclite ja noch verschiedene Größen. Mir wäre die Rahmentasche so jedenfalls zu klein, auch für eine Tagestour.
Sowohl die Frame Bag als auch die Top Tube Bag verfügen über einen herausnehmbaren Boden. Dieser sorgt für zusätzliche Stabilität, geht aber auch ins Gewicht. Wer also maximales Gewicht sparen will, kann die Böden entfernen. Alternativ könntest du natürlich auch einfach das Bier aus der Flasche schneller trinken und die Flasche entsorgen, um sogar noch mehr Gewicht zu sparen. Prost!
Die Cyclite Saddle Bag besteht aus einer Haupttasche, die von hinten über einen Einrollverschluss erreicht wird. Auf der Oberseite befindet sich zudem ein elastisches Netz, auf dem weiteres Gepäck Platz findet, das nicht unbedingt vor Regen und Dreck geschützt werden muss. Zudem erlaubt sie an der Rückseite die Anbringung eines Rücklichts.
Die Satteltasche wird über ein großes Klettband an der Sattelstütze sowie über zwei kleinere Einhakverschlüsse an den Sattelstreben befestigt. Über ein Ventil kann die Luft beim Zusammenrollen abgelassen werden.
Die Saddle Bag finde ich super! Besonders mag ich den Metallhaken, in den man den Gurt zur Befestigung an der Sattelstrebe einhakt und festzurrt. Hält 1A. Während der Fahrt habe ich die Satteltasche kaum wahrgenommen, so stabil saß sie am Heck, wohl auch dank der Verstärkung aus Carbon. Nur das Ventil zum Ablassen der Luft hätte ich mir seitlich und nicht oben mittig platziert gewünscht.
Die Cyclite Handle Bar Roll besteht aus einer Haupttasche, die seitlich über zwei Einrollverschlüsse erreicht wird. Wie die Satteltasche verfügt auch sie auf der Oberseite über ein elastisches Netz für weiteres Gepäck.
Die Lenkerrolle wird mit zwei Gurten oben am Lenker und mit zwei weiteren Gurten an der Gabel befestigt. Wichtig: Die Rolle muss so befüllt und befestigt werden, dass die Bremsgriffe und Schalthebel problemlos bedient werden können.
Der Versuch, mein Zelt in die Lenkerrolle zu stopfen, hat mich einige Mühe gekostet. Denn die Tasche ist innen gummiert, weil sie ja wasserdicht ist. Dadurch bremst sie aber alles was da hinein soll, wenn es schon etwas eng ist.
Die Tasche kommt mit verschiedenen Gurten. Unter anderem sollen zwei davon durch die Gabel gefädelt werden, um die Tasche zu fixieren. Diese Lösung gefiel mir schon desahlb nicht, weil die Bänder dann am Lack scheuern. Ich habe sie stattdessen hinten hoch zum Lenker hochgebunden. Das hat super funktioniert. Auch in der Fahrt hielt sie sicher an ihrer Stelle und drohte nie in Richtung Reifen abzusinken.
Übrigens: Weil die 90er ja zurück sind, hat Prada die Linea Rossa neu aufgelegt. Insofern liegt Cyclite maximal im Trend!
+ sehr leicht
+ stabiler Sitz
+ einfache Anbringung
+ hohe Sichtbarkeit
+ Inhalt der hellen Taschen lässt sich schnell erfassen
- keine alternativen Befestigungspunkte für die Klettbänder an der Top Tube Bag
- Position des Luftventils an der Saddle Bag
Mit den leichten Taschen macht Bikepacking-Newcomer Cyclite einen richtig guten Eindruck. Die Produkte wirken durchdacht, auch wenn das Design und manche Detaillösungen Geschmacksfrage sind. Trotz des geringen Gewichts wirken Material und Verarbeitung sehr wertig. Im harten Dauereinsatz müssen sich die Taschen allerdings noch bewähren.
Noch mehr Informationen zu den Produkten von Cyclite gibt es auf der Website des Herstellers. Hier kannst du die Taschen auch direkt kaufen.
Ganz klar: Ohne Support auch aus der Fahrradbranche können wir die Idee des Gravel Collectives nicht leben. Aber uns ist es wichtig, euch darüber zu informieren, wo und wie wir unterstützt werden. Wir spielen mit offenen Karten.
Für diesen Artikel hat Cyclite uns die Testprodukte zur Verfügung gestellt. Auf die Inhalte dieses Artikels und die Abläufe zu dessen Erstellung hatte Cyclite keinerlei Einfluss.
Über Dan: Das hier zu sehende Foto ist eine echte Rarität, denn der scheue Dan versteckt sich meist hinter seiner Kamera. Sich dort in Sicherheit wähnend, macht er nicht nur sensationelle Fotos, sondern haut auch einen Spruch nach dem anderen raus. Markenzeichen sind bunte Trikots, mal mehr oder weniger wallendes Haupthaar und die sich leicht verdrehenden Augen, wenn Sascha seinen Namen mal wieder falsch als "Dän" ausspricht. Richtig hingegen ist "Dahn". Auf dem Bike ist der nach Berlin ausgewanderte Schwabe verdammt flott unterwegs. Oft lässt er sich erst durch koordinierte Attacken kaputtfahren, meist fährt er aber ohnehin vorne weg, um von dort die besten Fotos zu machen.