Text: Felix Krakow | Fotos: Studio Pilz | 13.10.2022

Als schnellster Deutscher belegte Paul Voß bei der ersten offiziellen Gravelbike-WM in Italien den 27. Platz. Wir haben mit dem Gravelbike-Pro über seine Eindrücke gesprochen.

Gravel Collective: "Paul, wie ist die Gravelbike-WM für dich gelaufen?"

Paul Voß: "Leistungsmäßig bin ich ziemlich zufrieden. Ich war vorher krank und bin ein wenig überrascht, dass es einigermaßen gut lief. Der tatsächliche Wert der Platzierung ist schwer einschätzbar. Aber ich war die ersten drei Stunden vorne mit dabei. Und dass als einziger Fahrer, der nicht in der World Tour unterwegs ist. Und ich muss mich ja eher mit den anderen Gravel-Fahrern vergleichen. Aber 25 Kilometer vor dem Ziel ging dann nix mehr."

Paul Voß war im WM-Rennen lange vorne mit dabei.

"Mit welchem Setup warst du unterwegs?"

"Mit meinem Orbea Terra Gravelbike und 40 Millimeter breiten Schwalbe G-One RS Reifen. Vorne bin ich 2,4 bar und hinten 2,6 bar Luftdruck gefahren. Das war für mich absolut die richtige Wahl, die gut zur Strecke passte. Das Risiko, auf 35 Millimeter zu gehen, war mir zu groß. Und die 40er-Reifen rollen super. Ansonsten hatte ich vorne ein Kettenblatt mit 48 Zähnen und hinten eine Kassette mit 10-36 Ritzeln."

"Wir waren viel auf Radwegen unterwegs, das war ein bisschen weird. Es war nicht die schönste Strecke, ich hätte mir das anders gewünscht."

Paul Voß

Gravelbike-Profi

Über Paul Voß

Bevor Paul seine "zweite Karriere" als Deutschlands erster Gravelbike-Profi startete, war er bereits viele Jahre lang im Straßenradsport aktiv. Unter anderem fuhr er für das Team Milram und das Team NetApp-Endura, das heute unter dem Namen Bora-hansgrohe aktiv ist. Zu seinen größten Erfolgen zählt ein Etappensieg bei der Katalonienrundfahrt. Paul war zudem bei allen drei großen Landesrundfahrten dabei und beendete die Tour de France im Jahr 2014 auf dem 50. Rang im Gesamtklassement. Seit der vergangenen Saison sitzt er als Gravelbike-Profi im Sattel. In diesem Jahr konnte er beim Red Bull Rio Grande Gravel in Texas seinen ersten Sieg feiern. Wenn Paul nicht auf seinem Gravelbike sitzt, ist er häufig am Mikrofon zu finden, um neue Folgen des Besenwagen-Podcasts aufzuzeichnen.

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Viele World-Tour-Profis, wie hier Davide Ballerini mit seinem Specialized Roubaix, saßen bei der Gravelbike-WM auf ihrem Rennrad.

"Wie hat dir die Strecke gefallen?"

"Ehrlich gesagt nicht so gut. Die ersten 30 Kilometer haben schon Spaß gemacht. Allerdings waren ausgerechnet die auch im Fernsehen nicht zu sehen. Da ging es schon technisch zur Sache, immer wieder hoch und runter und vor allem auch über richtige Schotterstraßen. Später waren wir dann viel auf Radwegen unterwegs, das war ein bisschen weird. Es war nicht die schönste Strecke, ich hätte mir das anders gewünscht, aber das war sicherlich auch den Bedingungen vor Ort geschuldet. Aber ganz ehrlich: Anders als beim WM-Rennen hätte man die anderen Rennen der UCI Gravel Serie nicht mit dem Rennrad fahren können."

"Wie hast du die Stimmung vor Ort erlebt?"

"Die Stimmung war wirklich gut und einer Weltmeisterschaft würdig. Es gab viele Zuschauer und die Atmosphäre war gut. Im Rennen selbst war die Stimmung aber etwas komisch, schon allein aufgrund der Startaufstellung, bei der die World-Tour-Fahrer alle vorne standen. Und auch, dass ich da plötzlich im Nationaltrikot unterwegs war, im Team mit Leuten, mit denen ich sonst nichts zu tun habe."

"Was ist deine Meinung zur Teilnahme der vielen Radprofis, die relativ spät gemeldet haben?"

"Das finde ich völlig legitim. Die Elite-Kategorie wurde ja eigens dazu entwickelt. Ich würde mir allerdings wünschen, dass es auch hier künftig ein Qualifikationssystem gibt. Damit die WM-Starter vorher wenigstens ein Rennen gefahren sein müssen. Auch die Anzahl der Starter pro Nation könnte begrenzt werden."

"Fühlt sich das für dich ungerecht an?"

"Ein bisschen schon. Wir sind ja praktisch Gravel-Profis, die das ganze Jahr über auf dem Gravelbike unterwegs sind. Aber im Gegensatz zu den World-Tour-Fahrern haben wir diesen Elite-Status nicht. So fahre ich also auf Altersklasse, was ja auch Quatsch ist, da ich dort wiederum jemandem den Startplatz wegnehme."

"Der Termin für die WM 2023 steht bereits. Ende September soll erneut auf der gleichen Strecke in Venetien gefahren werden. Was kann dabei deiner Meinung nach verbessert werden?"

"Ich würde mir eine richtige Elite-Kategorie wünschen. Und gleiche Distanzen für die Männer und Frauen. Das sind wir aus Gravel-Events ja so gewohnt. Und ich würde mir wünschen, dass die UCI klarer definiert, was sie sich unter einem Gravelbike vorstellt."

"Wie stellst du dir das vor?"

"Na, dass man zum Beispiel sagt, ein Gravelbike muss mindestens 40 Millimeter breite Reifen und einen Rennlenker haben. So könnte man auch ein Stückweit für Waffengleichheit sorgen. Denn im Gegensatz zu den World-Tour-Profis, können es sich viele ja überhaupt nicht leisten, für jedes Rennen aus verschiedenen Arten von Fahrrädern auszuwählen. Das ist ein Stück weit unfair und macht diesen besonderen Sport damit auch weniger attraktiv. Zumal ich mir nicht vorstellen kann, dass die Hersteller glücklich sind, wenn die Profis mit Rennrädern in die Gravelbike-Rennen starten."

"Siehst du weitere Unterschiede?"

"Ja, zum Beispiel bei der Unterstützung an der Strecke. Das ist ja auch ein Kostenaufwand und du brauchst eine Infrastruktur. Bei den Rennen in den USA hingegen gibt es gar keinen Support von außen. Wobei ich das jetzt nicht verbieten wollte, denn im Radrennsport gehört das ja schon dazu. Aber vielleicht kann man bestimmte Zonen festlegen, die anders organisiert werden. So dass die Topfahrer zum Beispiel nicht alle 20 Kilometer jemanden mit Trinkflaschen und Ersatzlaufrädern stehen haben. Denn das können sich ja die meisten überhaupt nicht leisten."

"Wie würdest du dich selbst beschreiben? Passt der Begriff Gravelbike-Profi?"

"Ja, ich verdiene mit dem Sport mein Geld, zudem bin ich Markenbotschafter für meine Partner. Ich lebe wieder wie ein Profi und muss mich auf dem höchsten Niveau bewegen, um vorne mitfahren zu können. Aber diese Fun-Charakter des Gravelbikens ist schon noch da. Ansonsten ist es fast wie früher als Rennradprofi. Nur, dass ich jetzt eben ganz auf mich allein gestellt bin. Und bei so einer WM kommst du als Individualsportler an deine Grenzen."

"Denkst du, dass wir die großen Stars des Straßenradsports, die jetzt zum Teil auch bei der Gravelbike-WM am Start waren, künftig öfter in solchen Rennen sehen werden?"

"Ich kann mir schon vorstellen, dass die künftig ein paar mehr Rennen fahren. Vielleicht so ein oder zwei Rennen im Vorfeld der WM. Aber den ganz großen Andrang sehe ich nicht. Das ist einfach eine andere Welt mit einem anderen Konzept und einer anderen Umsetzung. Und diese WM jetzt war schon recht deutlich für Straßenfahrer gemacht."

"Du hast die Grenzen des Individualsportlers angesprochen. Redet man da mit den Kollegen und Kolleginnen auch mal über eine mögliche Zusammenarbeit?"

"Klar, solche Gespräche gibt es immer wieder. Man hilft sich ja auch immer wieder. Aber wir haben ja zum Beispiel alle unsere eigenen Sponsoren, das macht es schon sehr komplex. Zumal ich finde, dass der Sport mit dem Unsupported-Gedanken auch einfacher und nachhaltiger ist."

"Komm in meine Arme!" Daniel Oss aus Italien bildete mit dem Belgier Gianni Vermeersch lange das Flucht-Duo des Rennens. Im Ziel durfte der Italiener dem Belgier dann zum ersten Titel als Gravelbike-Weltmeister gratulieren.

"Wie fällt allgemein dein Fazit nach deiner zweiten Saison als Gravelbike-Profi aus?"

"Durchaus positiv. Denn zum einen glaube ich, dass ich einige Menschen motivieren und inspirieren konnte. Und zum anderen habe ich in den USA ein Rennen gewonnen, stand zudem ein paarmal auf dem Podium. Aber ich kann auch noch immer viel lernen. Zum Beispiel welche Rennen ich fahre oder wie ich die Rennen angehe. Der Sport hat sich im Vergleich zur vergangenen Saison schon krass entwickelt. Die Leistungsdichte ist viel höher. Und da gibt es nächstes Jahr sicherlich nochmal einen Sprung. Auch das Bikepacking entwickelt sich in eine Richtung, die irgendwann wirklich ungesund wird. Ich bin gespannt, ob die Community sich da irgendwann selbst regulieren wird. Zum Beispiel mit vorgeschriebenen Ruhezeiten. Damit der Sport weiter auf gesundem Level betrieben werden kann."

"Kannst du und schon etwas über deine Pläne für 2023 verraten?"

"Für mich werden wieder das Unbound Gravel in den USA und die WM in Italien die großen Saisonziele sein. Zudem gibt es Gerüchte über ein UCI-Rennen in Deutschland, das fände ich natürlich spannend. Überhaupt bin ich gespannt, wie sich die UCI-Serie entwickeln wird. Wird es zum Beispiel eine Gesamtwertung geben? Ich persönlich hätte zudem auch Bock auf Starts beim SBT Gravel in Steamboat Spings und dem Leadville 100. Und wenn es passt, würde ich auch gerne nochmal ein Bikepacking-Rennen absolvieren. Zum Beispiel das Gran Guanche oder das Atlas Mountain Race."

Das WM-Bike von Paul Voß

Mit diesem Orbea Terra war der deutsche Gravelbike-Pro in Italien am Start.

Über Paul Voß

Bevor Paul seine "zweite Karriere" als Deutschlands erster Gravelbike-Profi startete, war er bereits viele Jahre lang im Straßenradsport aktiv. Unter anderem fuhr er für das Team Milram und das Team NetApp-Endura, das heute unter dem Namen Bora-hansgrohe aktiv ist. Zu seinen größten Erfolgen zählt ein Etappensieg bei der Katalonienrundfahrt. Paul war zudem bei allen drei großen Landesrundfahrten dabei und beendete die Tour de France im Jahr 2014 auf dem 50. Rang im Gesamtklassement. Seit der vergangenen Saison sitzt er als Gravelbike-Profi im Sattel. In diesem Jahr konnte er beim Red Bull Rio Grande Gravel in Texas seinen ersten Sieg feiern. Wenn Paul nicht auf seinem Gravelbike sitzt, ist er häufig am Mikrofon zu finden, um neue Folgen des Besenwagen-Podcasts aufzuzeichnen.

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