Quinda Verheul

Die schnellste Frau des Hellenic Mountain Race im Interview

12.12.2023 | Übersetzung: Verena Hoppe | Fotos: Nils Laengner

English below

Atlas Mountain Race. Silk Road Mountain Race. Hope1000. Hellenic Mountain Race. Quinda Verheul hat in drei Jahren Ultracycling direkt die großen Namen unter den Offroad-Bikepackingrennen gewählt. Und die Erstausgabe des Hellenic Mountain Race als schnellste Frau direkt gewonnen. Auf ihrem Weg von ihrer Heimat Rotterdam nach Dresden zur Bespoked-Messe haben wir Quinda in Köln getroffen. Natürlich auf dem Gravelbike. Wir haben über Instagram Fragen aus unserer Community gesammelt, die sie hier beantwortet.

Wann hast du zum ersten Mal von Ultra-Rennen gehört und wann war dein erstes Rennen?

Ich habe es schon immer geliebt, an unbekannte Orte zu reisen, an denen ich weder die Sprache, noch die Kultur kenne. Außerdem habe ich habe mir gerne Filme angesehen, in denen andere Menschen Orte erkunden, die ich noch nicht gesehen habe. Ich erinnere mich noch an die erste Ausgabe des Silk Road Mountain Race mit Lael Wilcox. Ich war erstaunt über die Landschaft und einen Ort, von dem ich noch nie etwas gehört hatte und musste sogar auf der Landkarte nachsehen, wo dieser Ort liegt. Seitdem war dieses Rennen ein Traum für mich, und ich bin so dankbar, dass ich diesen Traum in diesem Jahr verwirklichen konnte. Der Film gab mir den Anstoß und nicht viel später habe ich mich für mein erstes Rennen angemeldet: das Atlas Mountain Race 2020.

Wie bereitest du dich auf die Rennen vor?

Ich versuche, mir die Situation vorzustellen: Wie ist das Klima, das Gelände, die Route und welche technischen Herausforderungen erwarten mich? Eventuell muss ich mein Fahrrad schieben oder sogar tragen. Auf der Grundlage erstelle ich eine Liste der Dinge, die ich meiner Meinung nach benötige. Ich beginne mit der Planung der Ausrüstung, indem ich auswähle, was ich wirklich mitnehmen muss und was ein Luxusartikel wäre. Damit beginne ich etwa drei Monate vorher, aber nie nonstop, sondern mache immer nur ein bisschen und lasse es ein bisschen laufen. Ich habe noch nie einen Kocher und nie ein Zelt mitgenommen, und mit der Entscheidung habe ich mich immer wohlgefühlt.

Über Quinda

Quinda arbeitet als Künstlerin und lebt in Rotterdam. Erst sechs Monate vor ihrem Start beim Atlas Mountain Race hat sich Quinda ihr erstes Gravelbike gekauft.

Wenn sie nicht gerade Ultra-Rennen mit ihrem Mountainbike bestreitet, sitzt sie auf ihrem Gravelbike: einem Purple Haze von Sour Bikes aus Dresden.

Hast du einen Trainingsplan?

Da ich vor zwei Jahren einen Unfall hatte, bestand mein Plan in den letzten Jahren darin, einfach auszuprobieren, wie mein Körper reagiert. So konnte ich im letzten Jahr eine Trainingsroutine von 13 Stunden pro Woche beibehalten. Ich habe kein spezielles Kraft- oder Intervalltraining eingebaut, obwohl bei einer Mountainbiketour Intervalle natürlich unvermeidlich sind. Es hat mir einfach Spaß gemacht, wieder mit dem Rad zu fahren und meine Fitness zu verbessern. Allerdings habe ich trainiert, mein Fahrrad auf dem Rücken viele Male einen Hügel hinaufzutragen, um stärker und sicherer dabei zu werden. Es ist aber ziemlich langweilig, zehn Mal hintereinander einen Hügel hinaufzugehen.

In der kommenden Saison werde ich mein Trainingsprogramm erhöhen und mich mehr darauf konzentrieren, stärker und schneller zu werden. Nicht vergessen: Erholung ist auch Training!

Wie fängt man am besten mit Ultra-Rennen an?

Ich glaube, man muss eine gewisse Neugierde spüren, um herauszufinden, ob es etwas für einen ist. „If you know, you know“: Dann ist es ein bisschen so, als wäre man verknallt. Man will unbedingt mehr über jemanden erfahren, ist aber auch unsicher, ob die andere Person einen auch mag. Und man ist ein bisschen ängstlich, weil man aus seiner Komfortzone herauskommt. Ich liebe das, dieses Gefühl, sich ein bisschen unwohl zu fühlen. Suche dir etwas aus, das dich begeistert, und stelle sicher, dass du etwas Zeit hast, um dieses Abenteuer zu planen. Mach kleine Schritte auf dem Weg zu einem großen Ziel. Probier aus, im Freien zu schlafen, längere Strecken zu fahren und finde heraus, was es für dicg bedeutet, aus deiner Komfortzone herauszukommen.

Was ist die seltsamste Sache, die dir je auf einem Rennen passiert ist?

Es gibt viele seltsame Ereignisse. Manche fühlten sich einfach seltsam an, weil es dunkel war.

Eine Sache, an die ich mich besonders erinnere, war in den Pyrenäen. Ich bin auf einem Berg vom Weg abgekommen und habe mich in einem Meer von Farnen verloren, die so hoch wie Bäume waren und so weit reichten, wie ich sehen konnte. Ich musste mein Fahrrad den Berg hinaufschleppen, um den Weg zu finden. Es fühlte sich unmöglich an, Angst überkam mich, Tränen und Schweiß liefen mir über das Gesicht. Ich fühlte mich in der Hitze und den Bedingungen des Berges gefangen. Auf einem großen Felsbrocken konnte ich über den Farn blicke. Ich war mir sicher, dass ich nie wieder auf den Pfad zurückkommen würde, doch dann lief ein riesiger Hirsch elegant den Berg hinunter. Das anmutige Tier riss mich aus meiner Misere und beflügelte mich mit magischen Superkräften, und ich kämpfte mich hoch, zurück zum Pfad, zurück in die Zivilisation.

Gab es jemals einen Punkt während oder nach einem Rennen, an dem du beschlossen hast, das nie wieder zu tun?

Jedes einzelne Mal!

Sogar vor einem Rennen. Der Stress, das Fahrrad und die Ausrüstung zu besorgen und die ganze Organisation in Kombination mit meinem eigenen Unternehmen kann manchmal zu viel werden. Ich bin ein Mensch und kann Angst und Stress empfinden, wenn ich bei etwas versage. Trotzdem sind das Rennen das Beste, was es gibt, denn jedes Mal überwinde ich die Angst und die Beklemmung und lerne, selbstbewusster zu sein.

Ist das Fahren in nicht-westlichen Ländern für eine Frau anders als für einen Mann?

Ich würde lügen, wenn ich nein sagen würde. Selbst in westlichen Ländern gibt es einen Unterschied. Allein während einer Radfahrt auf die Toilette zu gehen, ohne der Welt unseren Hintern zu zeigen zu müssen. Ein weiteres großartiges Beispiel ist, dass ich schon vor dem Start des Rennens Fragen gestellt bekomme, die ein Mann niemals beantworten müsste. Als Frau muss man in bestimmten Situationen zwangsläufig Risiken einkalkulieren. Ich bin mir gerne der lokalen Normen und Werte bewusst, und ich bin bereit, mich den lokalen Standards anzupassen, um respektvoll zu sein. Dennoch sehe ich, dass die Welt nicht gleich ist und dass wir mit vielen unnötigen Unterschieden konfrontiert sind.

Was ist dein Lieblings-Setup für ein Offroad-Bikepacking-Rennen? Welche Art von Ausrüstung hast du während deiner Karriere im Ultrarennsport gewechselt?

Mein Lieblings-Setup ist im Moment das vollgefederte Downcountry-Bike von Sour Bicycles, das ich dieses Jahr testen konnte. Dazu meine Tailfin Custom Lenkertasche, Rahmentasche und Aeropack. Mein Schlafsystem passt vorne rein, mein Wasser und mein Werkzeug in die Rahmentasche und hinten habe ich Ersatzsocken, Regenkleidung und zusätzliche Schichten, um mich warm zu halten. Je nach den Bedingungen habe ich manchmal meine Daunenhose dabei und mein Luxusartikel ist ein aufblasbares Kissen. Damit schlafe ich besser und wache nicht mehr mit Nackenschmerzen auf. Ziemlich schnelle, aber dennoch griffige Schwalbe Racing Ray für vorne und Racing Ralph für hinten sind meine bevorzugten Reifen.

Zu Beginn habe ich einfach mit dem angefangen, was ich schon hatte und einen Gepäckträger für Packtaschen dazu gekauft. Später habe ich mir einen Drybag an den Lenker geschnallt. Im Laufe der Zeit habe ich angefangen, hochwertige Produkte anzusammeln. Ich habe nicht alles auf einmal gekauft, sondern gespart und dann eine gute Regenjacke oder einen wärmeren Schlafsack gekauft.

Wie kannst du deinen Beruf mit Ultra-Rennen verbinden? Hast du noch Zeit für erholsamen Urlaub?

Ich versuche, Arbeitsprojekte und Rennen unter einen Hut zu bringen und zu entscheiden, was Priorität hat. Wenn ich nicht auf Reisen bin, ist es ziemlich einfach, Training und Arbeit zu kombinieren. Ich bin zeitlich flexibel und kann zum Beispiel morgens trainieren und den Rest des Tages im Studio sein und bis spät abends arbeiten. Wenn ich unterwegs bin, habe ich immer neue Ideen. Manchmal kann ich mich nicht entscheiden und es stapeln sich mehrere Termine und Shows, das kann ziemlich stressig sein. Ich glaube, viele von uns in diesem Sport haben neben diesen Abenteuern noch einen regulären Job.

English Version

When did you hear about those races for the first time and when was your first race?

I have always loved travelling to unknown places, where you don’t know the language nor culture and I enjoyed watching films of other people exploring places I haven’t seen. So I remember seeing the first edition of Silk Road Mountain Race, with Lael Wilcox. I was astonished by the landscape and a place that I actually never heard of, even had to look up where this place was on the map. Ever since this race has been a dream and I’m so grateful to have made that dream into reality this year. Seeing this film placed a little seed and not much later I signed up for my first race, Atlas Mountain Race in 2020, I basically never looked back. 

How do you prepare for ultra races?

I try to visualise the situation, like what the climate is like, terrain, road and how technical they will be. Any chance I need to push my bike or even carry it. From this information I’ll create a list of things I think I need, with that in mind I start planning the set up, I’ll make choices of what I really need to bring and what would be extra(luxury items). This starts approximately 3 months before, but never non stop, just a little bit and let it simmer for a bit. I never brought a stove and never brought a tent, but that’s a choice I feel comfortable about.

Do you have a Training plan?

I had an accident two years ago, so my plan the past years had been just feeling out how my body reacts. Which meant the past year I was able to keep a stable 13 hour per week routine. I have not added strength or interval training in there specifically, though of course during a mountain bike ride it’s inevitable to have intervals. I was simply enjoying riding my bike again and gaining fitness. One thing I did focus on is hiking with my bike on my back many times up a hill to become stronger and comfortable doing that. It’s rather boring to hike up a hill roughly 10 times.

Upcoming season I’ll increase the training schedule more focused on getting stronger and faster. Just remember rest is also training!

How to start with ultra distances?

I believe you need to feel the curiosity to find out if it’s something for you. If you know you know, it’s a bit like having a crush, you are keen to learn more about someone but also insecure if the other person likes you back. And you will feel a bit of anxiety, because you will get out of your comfort zone. I love that, that feeling of being a bit uncomfortable. Pick something you feel excited about and make sure you have some time to plan for this adventure. Create smaller steps towards the bigger goal. Try out sleeping outside, try out longer distance riding and decide what out of your comfort zone means for you.

What was the weirdest thing happening during a race?

There are many weird things, or they felt weird because it was dark.

One thing I remember was during Further pyrenees I got stuck on a mountain, got off track, while making my way back to the route I was lost in a sea of ferns as tall as trees and as far as I could see. I had to drag my bike straight up the mountain to get to the right path. It felt impossible, anxiety washed over me, tears and sweat ran down my face, I felt stuck and trapped in the heat and the conditions of the mountain. A big boulder lifted me out of the ferns and while I was sure I would never be able to get back to the trail a giant deer ran elegantly down the mountain. The gracious animal snapped me out of my misery and hit me with magical superpowers and fought my way up, back to the trail, back to civilization.

Was there ever a point when you decided to never do this again (during or after a race)?

Every single time!

I even have it before a race, the stress of getting the bike and equipment sorted flying and all the organisation in combination with running my own business can sometimes become too much. I’m human and I can feel anxiety and stress about failing at something. Still racing is the best thing ever, because every time I overcome that fear and anxiety and learn to be more confident.

Is riding in non-western countries different for a woman than a man?

I would lie if I said no. Even in western countries there is a difference. Let’s set a timer and both go for a pee without showing our butt to the world. Another great example is, before even starting the race I would get questions that a man would never have to answer. As a woman you will inevitably be calculating risks in certain situations. I like to be aware of the local norms and values, and I am willing to adapt to local standards, to be respectful. Yet I still see that the world isn’t equal and that we face many unnecessary differences.

What is your favourite set-up for an offroad-race? What kind of gear did you change during your career in ultra racing?

My favourite set up right now would be the full suspension downcountry bike of Sour Bicycles which I get to test-ride this year. Tailfin custom handlebar bag and frame bag, and Aeropack. My sleeping system fits in the front, my water and tools in the frame bag and in the back I have spare socks, rain gear and extra layers to keep me warm. Depending on the conditions I sometimes bring my down pants and my luxury item is an inflatable pillow. I sleep better and don’t wake up with neck pain. Pretty fast yet rubber Racing Ray in the front and Racing Ralph for the back from Schwalbe.

I started off once, simply with what I had, bought a rack for panniers. Later I strapped a dry bag to my bars. Along the way I started collecting valuable items, I didn’t buy everything at once, I would save up and buy a rain jacket or a warmer sleeping-bag.

How can you combine your job with ultra races? Do you still have time for more relaxing holidays?

I try to work around projects and races and decide which has priority. When I’m not travelling it’s pretty easy to combine training and working as I’m flexible to train in the morning and be in the studio the rest of the day and work until late for example. When I’m away I still create new ideas. Sometimes I don’t get to decide and several deadlines and shows pile up, this can be rather stressful. I believe many of us in this sport have a regular job next to these adventures.

Über Quinda

Quinda arbeitet als Künstlerin und lebt in Rotterdam. Erst sechs Monate vor ihrem Start beim Atlas Mountain Race hat sich Quinda ihr erstes Gravelbike gekauft.

Wenn sie nicht gerade Ultra-Rennen mit ihrem Mountainbike bestreitet, sitzt sie auf ihrem Gravelbike: einem Purple Haze von Sour Bikes aus Dresden.

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